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Juli 1988 Kvikkjokk - Kaskakårså - Kåtok - Pårtejekna - Lullihavagge - Nåitevalta - Sarvesvagge West - Tuottar - Staloluokta - Staddajåkkå - Sorjoshytta - Sulitjelma, 148 km
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Die Nacht war schrecklich. Das Moskito-Netz in der gemütlichen Hütte in
Kvikkjokk war schlicht nicht dicht. Sehr zur Freude der "Geißel Lapplands",
die uns als nächtliche Beute im hohen Norden willkommen hieß. Nach einem
ausgiebigen Frühstück trennen wir uns schweren Herzens von unseren letzten
frischen Lebensmitteln - unter anderem vom schwäbischen Hefezopf, den unsere
Hüttenwirtin staunend in Empfang nimmt. Wir folgen dem Kungsleden nach
Nordosten. Zum ersten Mal Kungsleden! Kaum haben wir Kvikkjokk hinter uns,
treffen wir alte Bekannte wieder: Unmengen Moskitos stürzen sich auf uns.
Wir sind früh dran im Jahr, und das war ihr Vorteil. Sie verleiden uns den
ersten Tag fast völlig. Wir haben natürlich Gegenmittel dabei, unter anderem
Zedernöl und schlimme chemische Keulen, aber sie versagen alle. In der
Moskito-Hochsaison bringen sie höchsten etwas Linderung, mehr aber nicht.
Nur eines hilft: Marschieren. Wer rastet, wird ausgesaugt. Also gönnen wir
uns bis zum Unna Tata See kaum eine Pause.
Dort verlassen wir den Kungsleden
und folgen - immer noch im Wald - dem
mit Stoffbändern an den Bäumen markierten Pfad nach Norden zum Påreks
Lapplager. Unsere geflügelten Freunde machen uns weiterhin das Leben schwer.
Wenn ich die auf meiner Stirn erschlage, läuft mir mein eigenes Blut über die
Brille. Kein Spaß. Immerhin lenkt das Mückendrama vom schweren und noch
ungewohnten Rucksack ab. Oben auf der Ebene bei den Seen gönnen wir uns eine
erste Pause und kratzen unsere Stiche. Hier wollten wir eigentlich unser erstes
Lager aufschlagen, aber es sind uns immer noch zu viele Mücken unterwegs. Also
weiter. Wir fliehen über die Furt, rauschen am verlassenen Lapplager vorbei,
ohne davon Kenntnis zu nehmen und haben nur ein Ziel vor Augen: Höhe gewinnen!
Völlig entkräftet beenden wir den doppelten Tagesmarsch auf 900 Meter Höhe am
Südhang des Pårek. |
Der Tag beginnt mit der Suche nach einer geeignete Stele, wo wir den wild
schäumenden Kaskakårsåjåkkå überqueren können. Die Moskitos sind zum größten Teil weit
unter uns geblieben, wir müssen also nicht mehr hetzen. Wir holen uns die
ersten nassen und vor allem kalten Füße im Bach
und gehen nach einer Rast am
Hang entlang nach Nordosten zum Pass zwischen Stuor Jerta und Unna Jerta.
Einige kleine Bäche müssen durchquert werden,
bevor wir die Passhöhe erreichen. Steiniges Land umgibt uns, und die Welt ist
sehr flach geworden, eine dichte Wolkendecke scheint knapp über unsere Köpfen
zu hängen. Wir wollen nach Westen zum Pårte-Gletscher, aber alle Versuche
den Weg auf der Höhe abzukürzen, scheitern. Der Abstieg wäre zu steil. Wir
geben klein bei und steigen hinunter zur Hütte am Kåtok-Bach. Nicht weit
davon bauen wir unsere Zelte auf. |
Wir haben nur eine kurze Etappe vor uns, aber beileibe keine einfache. Zum
Pårte-Gletscher wollen wir, wo wir einen Übergang nach Norden über den
Kåtok-Bach zu finden hoffen. Dummerweise haben wir einen recht
unbequemen, und wie sich später herausstellen sollte, auch völlig sinnlosen
Weg gewählt. Wir quälen uns durch schier endlose Blockfelder. Außerdem lässt
das Wetter nach, dicke Wolken ziehen auf, und es beginnt zu nieseln. In
Sichtweite der Gletscherzunge lagern wir. Der Gletscher selbst hüllt sich in
Wolken. |
Dicke feuchte Wolken hüllen uns ein. Wir suchen eine Furt. Immer wieder
lassen wir uns narren und versuchen unser Glück am Kåtok-Bach, aber der
will uns nicht hinüber lassen. Irgendwann stehen wir wieder an der Hütte. Dort,
wo wir gestern gestattet sind. Weil es übel regnet und die Hütte offen ist,
gönnen wir uns eine wohlbehüt(t)ete Mittagsrast. Danach überqueren wir den
Bach ganz einfach auf der Brücke, was wir einen Tag zuvor sinnvollerweise
hätten tun sollen. und gehen dann wieder bachaufwärts nach Westen - diemal eben
am richtigen Ufer. Plötzlich reißen die Wolken auf, und Sonnenschein gibt uns
neuen Mut. Ohne es zu wissen, sind wir unterwegs auf einer weiteren doppelten
Tagestour.
Wir steigen hinauf zum Südende des Kaskavagges. Vor dem Kaskatjåkkå
halten wir uns aber links und folgen dem Lullihavagge. Um uns herum eine
grandiose Steinwüste. Nach etlichen Stunden blicken wir hinunter auf das
Kåtok-Tal und stehen selbst schon fast im Schnee. Eine Art Höhenrausch
packt uns, und wir sind fast schon high, als wir gegen 20.30 Uhr die Passhöhe
auf 1340 Meter Höhe erreichen. Stahlblauer Himmel und gleißendes Sonnenlicht
machen die Passhöhen-Pause zu einem ganz besonderen Erlebnis.
Der Abstieg
hinunter ins Sarvesvagge zieht sich. Wir wollen längst lagern, können aber
nicht mangels geeignetem Terrain. Die Sonne verschwindet hinter den Bergen,
und wir haben immer noch keinen Platz gefunden. Längst ist klar: Wir müssen
wohl ganz hinunter steigen. Völlig entkräftet torkeln wir durch den Bach vom
Nåitevagge und finden am Fuß des Nåite endlich einen Lagerplatz.
Es ist 1.30 Uhr und immer noch hell. Wir schlafen nach einem kurzen Abendessen
dennoch schnell ein. |
Wir gönnen uns einen verdienten Ruhetag, und das Wetter gönnt ihn uns auch!
Vor uns liegt der Raubtiermarkt, das Waldland zwischen Sarvesvagge und
Rapadalen, im Sonnenschein. Ein Ausflug auf die
Höhen des Nåite belohnt
uns mit schier
unglaublichen Ausblicken: nach Süden über die
Hochebene Luottolakko,
nach Westen über den Laddepakte hinaus, nach Norden ins Ålkatj-Massiv und
nach Osten das Sarvesvagge entlang. Und: Wir sehen das Lullihavagge fast in
seiner ganzen Länge. Stolz sind wir auf unsere Leistung am Vortag und
brauchen lange, bis wir unten im Tal unsere Zelte ausmachen können. Was für
ein Tag - alle Moskitos sind vergeben und vergessen! |
Das schöne Wetter ist leider vorbei. Eher unmotiviert starten wir zur
nächsten Etappe. Es regnet zwar nicht mehr, aber die Büsche im östlichen
Sarvesvagge sind klatschnass. Es dauert also nicht lange, bis auch wir
durchnässt sind. Eine kleine Rentierherde begleitet uns durch diesen trüben
Tag, und wir sind froh, als wir endlich offenes Gelände erreichen. Ab und zu
werden wir ein wenig beregnet, aber dafür ist die Moskitoplage fast völlig
beendet. Auf Höhe der Talwasserscheide machen wir eine kurze Rast und finden
später ein nettes Plätzchen auf Höhe des Ryggasbergets und lagern dort. |
Noch am Vormittag verlassen wir das Sarvesvagge in Richtung Westen. Ehe wir es
richtig begreifen, wird uns klar: Wir haben den Sarek bereits verlassen.
Unsere Mittagsrast halten wir bereits im Padjelanta Nationalpark. Nicht ganz
ohne Sehnsucht blicken wir auf die schroffen Sarekgipfel zurück. Die
Landschaft hat sich fast schlagartig verändert. Nachdem wir die Anhöhe
hochgestiegen und über den Rentierzaun geklettert sind, liegt
vergleichsweise flaches Land vor uns.
Seen bestimmen die Landschaft. An denen kann
man sich längst nicht so gut orientieren wie an Bergen. Und
prompt verlaufen wir uns. Es dauert gut eine Stunde, bis wir merken, dass
wir zu weit nach Norden abgekommen sind. Wir sind am Rissajaure und damit am
falschen See. Etwas entnervt gehen wir über die Höhen im Süden und sind ganz
schön froh, als wir unter uns endlich die Tuottar-Hütten am Padjelanta-Weg
sehen. Geschafft! Wir können nicht widerstehen und schlafen in einer
gemütlichen Hütte.
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Ein von oben bis unten verregneter Tag. Wir sind natürlich unten, während
die Maschinen des Fiskeflyggs oben sind. Sie fliegen zweimal einfach so über
uns hinweg. Wir sind neidisch. Es regnet andauernd. Und wir haben keinen
rechten Spaß an unseren 20 Kilometern bis nach Staloluoktal.
| Überhaupt macht es nach dem weglosen Streunen im Sarek nicht wirklich Spaß, einem ausgetretenen Pfad zu folgen - Kilometer fressen anstatt den Tag zu genießen. Den Virihaure nehmen wir kaum zur Kenntnis. Erst in der Nacht schlägt er uns in seinen Bann. Um 23.30 Uhr geht die Sonne unter und verwandelt den See in eine schimmernde Farbpalette. Danach sinken wir erschöpft in unsere Hüttenbetten.
Die Natur hat ein Einsehen und gönnt uns einen sonnigen Vormittag. Wir
schlendern durch das Lapplager, essen Fladenbrot, schmunzeln über den
kleinen Kiosk mit Knorr-Produkten im Regal, bewundern die Kirchenkohte und
sind völlig fasziniert vom Virihaure, dem "See, den der Wind leicht
kräuselt". Erst die schneebedeckten Berge ganz weit hinten am Horizont
lassen erahnen, wie groß der angeblich schönste See Schwedens ist.
Wir wollen
dennoch weiter. Aber kaum haben wir unsere Rucksäcke geschultert, lässt das
Wetter wieder nach. Den Weg zum Staddajåkkå können wir nicht
wirklich genießen, weil es wieder regnet. Es wird ungemütlich kalt, und wir
sind nach der kurzen Etappe nicht willens, eine Fortsetzung der Tagesetappe
in Erwägung zu ziehen. Wir beziehen stattdessen die Hütte und sind froh,
ein Dach über dem Kopf zu haben. Was uns auch sehr gefällt, ist die völlige
Ruhe nach dem Trubel am Virihaure. |
Das Wetter scheint sich wieder bessern zu wollen. Kurz nach der Hütte
überqueren wir die wackelige Brücke über den Staddajåkkå und
folgen dem markierten Pfad zur letzten schwedischen Hütte. Die hat zwei Namen:
Konsul-Personns- und Sårjåsjaure-Hütte. Sie liegt am Ausgang des
Sårjåsjaures. Und da wollen wir hin. Der Weg führt einen steilen
Hang hinauf, ein natürlicher Damm, hinter dem sich der See aufstaut. Die Hütte
liegt oberhalb des Bachs, der dort wild schäumend durch die Felsen bricht.
Sie ist klein, und die Betten haben Zwergenmaß. Das Wetter ist ohnehin zu
schön zum
Aufhören. Wir gehen also weiter, immer am Südufer des Sees
entlang. Die Berge am gar nicht so fernen Horizont gehören schon zu Norwegen.
Die Landschaft hat sich wieder deutlich verändert, ähnelt wieder mehr dem
Sarek. Inzwischen strahlt die Sonne wieder, und wir schmunzeln über die
seltsamste Grenzstation, die wir je gesehen haben: Ein Schild in der
Wildnis. Mehr braucht's hier nicht. Prima. Der Bach aus dem Koskedal ist uns
ebenfalls wohlgesonnen. Wir überqueren ihn ohne Probleme. Seit wir in
Norwegen sind, müssen wir uns auf sehr unzureichendes Kartenmaterial
verlassen, weil die schwedischen Karten die Grenze im Gegensatz zu uns sehr
ernst nehmen: Sie zeigen fast nichts mehr. Wir folgen dem Seeufer weiter
westwärts, und erreichen den oberen Sorjus-See. Die Berge rücken wieder näher
heran, und wir überqueren so manches steile Schneefeld. Seit dem Virihaure
haben wir keinen Menschen mehr gesehen und sind deshalb um so erstaunter, als
wir am Ende des oberen Sees plötzlich vor einer Hütte stehen: der Sorjushütte.
Die war in unseren Karten gar nicht vermerkt. Auch recht. Wir gönnen uns eine
weitere gemütliche Hüttennacht. |
Vor uns liegt die letzte Etappe. Gleich nach der Hütte geht es steil bergauf
über ein großes Schneefeld. Die Landschaft wird immer alpiner.
Sarek-Liebhaber haben ihre wahre Freude daran. Kleine von Eis bedeckte Seen
liegen unter uns, Schneefelder und Felsen prägen das Bild. Nach einem kurzen
Anstieg auf die Passhöhe ändert sich die Landschaft drastisch. Hinter uns
schroffe Berge, vor uns fällt die Landschaft ab, Sulitjelma kündigt sich an.
Hier verläuft die Wasserscheide zwischen Ostsee und Nordmeer.
Unter uns sehen wir den Weg, und der führt genau in den See Langvattnet. Wir
umrunden ihn und machen eine verregnete Mittagsrast, bevor wir südlich des
Sees wieder auf den Weg stoßen. Der wird urplötzlich zu einer Fahrpiste. Die
Zivilisation hat uns wieder. Und wir nehmen zumindest einige ihrer Segnungen
gerne an: Zum Beispiel den Lieferwagen, der uns den langen Weg von Ny Sulitjelma
hinunter nach Sulitjelma verkürzt. Wir sind am Ziel.
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